Faiths and Education, 1500-1977
In Ungarn wurde in 1872 der zweite Universität in Kolozsvár
(Cluj) gegründet. Die erste Professoren der Pädagogik waren Lajos
Felméri, István Schneller und Sándor Imre.
Die pädagogische Auffassung und Lehre diseser Professoren war durch
die protestantische Theologie stark beeinflußt. Diese Rezeption der
protestantische Theologie ist vor allem bei István Schneller´s
Pädagogik bemerkenswert. Schneller als Sohn eines Pators begann
sein Leben - eben vor anderthalbhundert Jahren - in einer lebhaften inspirativen
geistigen Atmosphäre. Sein Großvater war ein enthusiastischer
Kantianer, sein Vater rezipierte aber vor allem die Gedanken von Hegel
und Schleiermacher. Auch István Schneller - wie seine Vorgänger
- studierte an deutschen Universitäten. In Halle hörte er Theologie
bei Friedrich August Tholuck und Max Müller, aber hier
rezipierte er den lebenslang wirkenden Einfluß der Gedanken, der
Lehre von dem romantischen Theologen: Ernst Daniel Schleiermacher.
Von ihm stammte das Prinzip der Liebe, die als philosophisches Grundprinzip
in dem pädagogischen System von Schneller später eine zentrale
Rolle spielen wird. In Jena lernte er die Gedanken vom Pfleiderer
kennen, den Unterschied zwischen den "toten" Glaubensthesen und
dem lebenen, wirkenden Glaubensprinzip, welches Prinzip dann zum Trieb
einer fühlender, wirkender, persönlich-beseelter Religiösität
werden kann. Schneller benannte das als "schaffende Macht des wirkenden
Glaubensprinzip". Bemerken wir: das ist eigentlich das Grundprinzip
des protestanten Glaube, deren Wurzel man - am letzeten Ende - in dem Individualitätsprinzip
der Reneaissance finden kann.
Das Protestantismus kann man als eine religiöse Art des menschlichen Denkens und Verhaltens betrachten Eine Art des Verhaltens des christlichen Menschens, wer mit dem Gott in einem innlichen Verhältnis lebt, mit dem Gott durch seinen Glauben vereinigt (unio mystica). In dieser Auffassung des Glaubens kann man - wie István Schneller sagt - das "innerweltliche" Reich Gottes verwirklicht werden.
Schneller lernte sehr viel aus den Gedanken von seinem Vorgänger: Ernst Daniel Schleiermacher. Wie die Pietisten von Herrenhut, auch Schleiermacher verkündigte den Glauben des Herzens. Er geriet "von der Innlichkeit des Glaubens zum Glauben der Innlichkeit" - wie es Schneller schilderte. Das Glauben ist bei Schleiermacher eine Art von den psychologischen Funktionen des Menschens, eine Art von Rezeption. Er kritisiert die "scheinbaren" Kirchen, die Dogmen lehren; die wahre Kirche ist die natürliche Gemeinde von den glaubigen Menschen. Dort gibt es - so Schleiermacher - keine Macht von den Pastoren, auch die Laien können ihre Erlebnisse und Gedanken über Glauben den anderen Mitglieder der Gemeinde mittelien.
Diese Auffassung des protestanten Glaubensprinzips und diese pietististische
Herzensinnlichkeit determinierte die geistige Entwicklung von István
Schneller.
Zwischen den Jahren 1877-1894 Schneller lehrte Theologie an der Akademie der evangelischen Theologie in Pozsony (Pressburg, heute: Bratislava). Die charakteristische Grundgedanken eines späteren pädagogischen Systems kamen zu dieser Zeit immer mehr zum Vorschein. Dann seit dem Jahre 1895, als er schon an dem Lehrsuth für Pädagogik der Universität Kolozsvár arbeitete, beschrieb er immer und immer differenzierter diese eigenartige Pädagogik der Persönlichkeit. Trotz der Tatsache, daß er kein systematisches Buch mit dem Titel Erziehungswissenschaft oder Pädagogik schrieb (denken wir z. B. an das Buch von Alexander Bain) kann man seine pädagogische Auffassung Schritt um Schritt rekonstruieren. Seine Publikationen helfen wir bei dieser Arbeit, vor allem seine drei Sammelbände mit dem Titel Pädagogische Abhandlungen. Daneben schrieb er eine Reihe von Abhandlungen, die in verschiedenen pädagogischen und theologischen Fachzeitschriften der Zeit veröffentlicht wurden. Zum Glück kann man auch noch heute die Texte seiner Vorlesungen studieren, welche dank des Fleißes seiner ehemaligen Studenten notiert und vermehrt wurden. (Eine solche Art des Publizierens von der mündliche Rede, von der Vorlesungen der prominenten Professoren war häufig.)
Jetzt betrachten wir die wichtigsten Pfeiler der Schneller'schen
Pädagogik. Diese wahren die folgende:
Auch Schneller postuliert eine verdoppelte Realität. Über den empirischen, mechanistisch determinierten Naturwelt existiert die Welt der Moralität, die Sphäre der moralisch erhobenen Werten. Diese transcendentale "Welt der Werte" wird bei ihm überaus betont und ganz in das Zentrum seiner Gedanken gesetzt, so kann man schon seine Weltanschauung betrachtend über ein immanentes "monistisches" Weltbild reden.
Philosophisch kann man diese erhobene Welt als die Welt des Menschens,
die Welt der Intelligibilität (wie bei Kant) interpretieren. Mit theologischen
Kategorien bezeihnend ist diese Welt das ideelle Gottesreich, das Reich
Christi. Eben im Lichte dieser christozentrischen Weltanschauung können
wir verstehen, daß die Zentrale wirkende Kraft dieser Welt der christliche
Liebe ist. Diese Liebe wirkt überall, auch in der materialen Naturwelt.
In dieser Liebe verkörpert sich der göttliche Zielgedanke, das
innerste Attribut des Menschens. Diese Liebe ist das "in uns existierende
Göttliche" - die sozusagen "pantheistische Kraft",
die überall und in jeder Zeit wirkt. Diese Liebe hilft das Individuum
bei der Entwicklung zur Persönlichkeit.
Das Ziel der Erziehung bei Schneller ist die Persönlichkeit. Die naturgegebene, eigenartige Individualität des Einzelnen ist eine Gabe des Gottes, und diese Individualität wird durch die Wechselwirkung seiner Umgebung immer mehr differenzierter. Diese Differenzierung des Individuums als kausaler Weg zur entfaltener Eigenart ist aber nur die Vorbedingugng der Persönlichkeit von teleologischer Struktur. Die Individualität ist also ein naturgegebens Sein, die Persönlicheit aber ein fortwährendes Werden, eine Aufgabe. Das eine ist der Ausgangspunkt, das andere ist das Ziel der moralischen Entwicklung. In diesem Sinne ist die Persönlichkeit das Resultat der Entwicklungshilfe, und diese Hilfe ist die Erziehung. Das Ziel, die Aufgabe der Erziehung ist die Persönlichkeit. Die Persönlichkeit ist bei Schneller - mit anderern Wörtern geschildert - der religiös-etischer Charakter des Menschen, oder die "reine Ichheit" - wie die spezifische Schneller'sche Kategorie lautet.
Die Erziehung ist also nach der Auffassung von Schneller eine zielbewußte Tätigkeit, durch welche der Mensch auf den Standpunkt der "reinen Ichheit", auf den Standpunkt der Persönlichkeit erhoben wird. Dieser Prozess der Erziehung ist die absichtliche Leitung der Individualität in die Richtung auf den göttlichen Willen hin. So existieren nebeneinander zwei Grundprinzipien in Harmonie: das Prinzip der kausalen Weltordnung bei der Entfaltung der natürlichen Eigenart des Individuums und das Prinzip des zielgerichteten, teleologischen Entwicklung zur Persönlichkeit.
Die Persönlichkeit wird dann - aus inneren Notwendigkeit - zu einem
eigenartigen Organ der Gemeinschaft, zum eingeordneten Glied des Ganzes.
Das letzte, ewige Ziel auf dem Standpunkte der Persönlichkeit muß
also der innere Aufbau der Gemeinschaft und dadurch die Verwirklichung
des Gottesreiches sein. So wird der Grundwiderspruch von Individualität
und Gemeinschaftsleben aufgehoben werden.
Wie wird die Individualität zur Persönlichkeit während diesem Prozess? Welche Standpunkte unterscheidet Schneller auf diesem Weg?
Schneller bezeichnet drei Stufen in der Entwicklung zur Persönlichkeit:
das sinnliche, das geschichtliche und das reine Ich.
Die letzte ist mit anderen Wörtern die Persönlichkeit. (Schneller
wählt ein anderes Wort, und sagt ein bißchen archaistisch "Ichheit",
in Ungarisch: "Éniség". So lauten die drei Stufen
bei ihm: die sinnliche Ichheit, die geschichtliche
Ichheit und die reine Ichheit.)
Die zwei unteren Stufen bedeuten reine, einander aufhebende Gegensätze: das sinnliche Ich ist in seinem ganzenWesen egoistisch ("homo homini lupus"), das geschichtliche Ich ist dagegen vollständig altruistisch ("homo homini Deus" - wie es Schneller bezeichnet). Das geschichtliche Ich geht ganz in der Gemeischaft auf, sein Wesen ist nur als Glied des Ganzen wertvoll. Auf dem Standpunkte des reinen Ich belebt uns endlich das Gesetz der Liebe, wir sind frei, leben gerade durch unsere persönliche Eugenart in der Gemeinschaft und für sie. Auf diesem ethischen Platform des reinen Ich, der Persönlichkeit sin d wir in unserer Individualität unbedingt wertvolle Organe des Ganzen. (Diese "reine Ichheit" charakterisiert Schneller als "homo Deus" - nach der Analogie "homo homini lupus" auf dem Standpunkte des "sinnlichen Ich".)
Das ist also der dialektische, in These, Antithese und Syntese aufgebauete Weg des Entwicklungsprozesses der Persönlichkeit.
Wir müssen aber bemerken, daß die mittlere Stufe diser Entwicklung - der Standpunkt des geschichtlichen Ich - dürfen wir nicht als eine totale Auflösung in der Gemeinschaft, als Verneinen der Inidividualität interpretieren. Schneller wird eine solche Art von totalen Kollektivismus nie bejahen. Auf dieser Stufe des Werdeprozesses wird das Individuum die Notwendigkeit, die Relevanz der Inhalte der sogenannten "sozialen Mächte" verstehen, in sich realisieren. Diese geschichtlich determinierten und sich fortwähren etwickelnden soziale Mächte tragen wichtige Inhalte, "Kulturschätze", für das Individuum relevante Bildungselemente, welche für die Entwicklung von Individualität zum Persönlichkeit ausschlaggebend sind. Solche soziale Mächte sind - in der Auffassung von Schneller - die Familie, das Heim, die Nation und die Kirche. Diesen Prozess schildert Schneller selbst mit den volgenden Wörtern: "Ziel der Menschheit ist sich vom sinnlichen Ich (Egoismus) durch die Stufen des geschichtlichen Ichs (Altruismus, Famile, Heim, Nation, Kirche) zum reinen Ich (zur Republik der Nationen, zum Gottesreich) zu erheben. Durch das Einfühlen in diese Entwicklung, durch das Durchleben dieser Entwicklungsstufen soll der einzelne seine Individualität zur Persönlichkeit ausgestalten, soll er durch seine in dieser Weltordnung bewußt wirksam gewordenen eigenartigen göttlichen Zweckgedanken zu einem unbedingt wertvollen Organe der Menschheit werden."
Die kulturelle Inhalte, die sich seit Jahrtausenden in den veschiedenen
sozialen Mächten konzentrierten, sind also wichtige Elemente der Entwicklung
zur Persönlichkeit. Es ist eine Aufgabe der Erziehung und Bildung
diese Inhalte dem einzelnen, dem Individuum aneignen zu lassen. Diese Aneignung
ist bei Schneller immer eine vielfältige, nicht nur rationell, sondern
auch emotionell gefärbte Tätigkeit, in dem auch das "Einfühlen"
eine Rolle spielen kann.
Wo findet man den Kraft, die Individualität von dem puren Egoismus auf die Stufe des altruistischen gesellschaftlichen Ichs erhebt? Welche Kraft wird einem helfen von dem Standpunkt des geschichtlichen Ichs auf die Stufe der reinen Ichs, der Persönlichkeit zu erheben? Die Schneller'sche Antwort der Frage ist: die Liebe.
Der Begriff der Liebe bei Schneller bedeutet eine auf der Ebene
der Ethik erhobene Emotion, deren wichtigsten Charakterzüge die Gerechtigkeit
und die Anerkennung der individuellen Werten des Mitmenschen sind. "Diese
Liebe erschließt die Herzen, auf dem Grunde dieser Liebe erschließen
sich die Seelen mit Vertrauen, und inzwischen entsteht eine Wechselwirkung
und Einfühlung, mit deren Hilfe können wir die wesentliche Charakterzüge
des Zöglings erkennen, jene Charakterzüge, die im allgemeinen
vor unseren Augen verschlossen sind." So wird diese - auf philosophische
Ebene erhobene - Liebe zum Kernbegriff des Schneller'schen pädagogischen
Systems.
Wenn wir die oben erwähnten Thesen von Schneller akzeptieren, können noch weitere Merkmale seines Systems aufzeichnen.
Liebe als lebendige Kraft bei ihm bedeutet, daß die Zentrale figur seiner Erziehungslehre der Pädagoge ist. Die Erziehung nach seiner Auffassung ist eine persönliche Wechselwirkung zwischen Lehrer un Lehrling. In diesem Prozess spielen auch solche sehr schwer zu analysierende Momente eine wichtige Rolle, wie "die Ausstrahlen der Augen", "die Farbe der Stimme", "die Überzeugungskraft der Wörter" u. s. w.
Der Pädagoge soll die individuellen, spezifischen Merkmale der Seele der Schüler äußerst in Acht nehmen. Die Individualität ist - im Wörterbuch von Schneller - "ein naturgegebenes Wesen", "ein Komplex von unendlichen Energien". Von dem Natur determinierten Individualität soll der Erzieher die Persönlichkeit entwickeln, welche vor uns als eine potenzielle Möglichkeit steht. Die Individualität ist also ein Begriff der Natur, die Persönlichkeit ist aber eine ethische Kategorie und gehört zur Welt des "Sollen". Die Persönlichkeit ist also am letzten Ende eine ethisierte Individualität.
Schneller ist der Meinung also, daß der Pädagoge die individuelle Charakterzüge der Schüler stets beachten soll. In seinen Vortägen für die werdeneden Lehrer betonte er immer, daß der Lehrer diese Charakterzüge beobachten und aufzeichnen soll. Diese Notizen können dann auch die angewandten pädagogischen Methoden und ihre Ereignisse enthalten.
Schneller teilte aber nie die übertriebene Ansicht der Vertreter
der Reformpädagogik und der Pädologie. Er absolutisierte
die Individualität des Kindes nie so, wie z. B. die swedische Pädagoge
und Schriftsteller, Ellen Key in ihrem Buch "Das Jahrhundert
des Kindes". Schneller kannte die Werke von Ellen Key,
war aber immer ein nüchterner Kritiker ihrer extremen "pädozentrischen"
Thesen. Nicht nur die "Pädagogik vom Kinde aus" war ihm
fremd, sondern auch die damaligen Bestrebungen zur Ausarbeiten einer positivistischen
experimentellen Pädagogik. Die Vertreter der empirischen. experimentellen
Pädagogik, und der Pädologie, benannte er als "Forscher
mit Maschinen". "In ihren Laboratorien kann man nicht die Seele,
sondern nur die Reaktionen der Nerven studieren" - so Schneller. Dann
setzt er fort: "Die quantitative Daten gesammelt über das Kind
sind keine zuverlässige Basis bei dem Beurteilen eines Kindes."
(Seine Meinung über die Grenzen der Kompetenz von der experimentellen
Pädagogik können wir auch noch heute teilen.)
Wenn wir die Werke von István Schneller lesen, spüren wir immer mehr die geistige "Eingebettheit" seiner Gedanken, den geistesgeschichtlichen Kontext, die Rezeption von Prominenten Philosophen.
Er rezipiert vor allem die deutsche klassische Philosophie, die Lehren
von Hegel und Kant. Der Hegelsch'sche Einfluß ist sehr
auffallend. Der dialektische Aufbau des Entwicklungsprozesses der Persönlichkeit
in drei Stufen zeigt auf die Kategorien von These, Antithese
und Synthese.
Es war Schneller selbst, wer versuchte die pädagogischen Gedanken von Kant systematisch darzustellen. (Wie es bekannt ist, Kant schrieb kein systematisches pädagogisches Werk. Seine Vorlesungen über die Pädagogik wurden von ihrem Studenten stenographiert und später veröffentlicht.) Als Schneller die Kant'sche pädagoische Theorie rekonstruiert, entdeckt er drei Ansichtspunkte :beim Betrachten des Menschen: der Mensch als Sinneswesen, als soziales Wesen und als Vernunftswesen. Diese drei Ansichtspunkte entsprechen in der Schneller'schen Pädagogik der sinnlichen, geschichtlichen und reinen Ichheit.
Wenn wir die Vorlesungen von Kant studieren, können wir noch weitere Parallelen entdecken. Kant unterscheidet in einer seiner Vorlesungen vier Stufen des erzieherischen Prozesses: "Disziplinieren", "Kultivieren", "Zivilisieren", "Moralisieren".
"Disziplinieren" - in dieser Phase wird das Tierische im Menschen gezielt, die paralelle Stufe bei Schneller ist das sinnliche Ich.
"Kultivieren, Unterrichten" - in dieser Phase bietet der Erzieher Kenntnisse, Bildungsinhalte dar. Das is die untere Stufe der Schneller'schen "gesellschaftliche Ichs".
"Zivilisieren" - das ist eine Art von Aneignung der "Klugheit", gesellscheftlichen Manieren und Artigkeit. "Sie richtet sich nach dem Wandelbaren Geschmacke jedes Zeitalters" - wie es Kant schildert. Diese Phase entspricht einer höheren Stufe der Schneller'schen "geschichtlichen Ichs".
"Moralisierung" - am Ende dieser Phase bekommt der Mensch "die Gesinnung, daß er nur lauter gute Zwecke erwähle. Gute Zwecke sind diejenigen, die notwendigerweise von jedermann gebilligt werden; und die auch zu gleicher Zeit jedermanns Zwecke sein können." (Oder anderswo: "Durch die moralische Bildung endlich bekommt er einen Wert, in Ansehung des ganzen menschlichen Geschlechts."Diese Phase entspricht der "reinen Ichheit" bei Schneller.
Nach den Parallelen etwas über den Unterschied. Wie wir es schon gesehen haben, ist der zentrale Gedanke beim Schneller der Liebe. Kant dagegen stellt das kategorische Imperativus in Zetrum. Der Befehl des kategorischen Imperativus hat keine emotionelle Konnotationen. Die Ethik von Kant ist also streng und rigid, die Wärme der Emotionen beseelen sie gar nicht.
Diesen dreigegliederten Prozess der moralischen Entwicklung finden wir auch bei Pestalozzi. In seinem Werk mit dem Titel "Meine Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwicklung des Menschengeschlechts" unterscheidet der schweizer Pädagoge die Stufen von "Naturstand", "gesellschaftlicher Zustand" und "sittlicher Zustand".
Es ist interessant die pessimistische Auffassung von Pestalozzi,
was die ethische Entwicklung des menschen betrifft. Auf dem Standpunkte
des gesellschftliche Zustandes lebt das primitive Egoismus
des Naturstandes weiter. Ein verbitterter Kampf charakterisiert
diese Stufe. (Mit den Wörtern von Pestalozi: "Der gesellschaftliche
Zustand ist in seinem Wesen eine Fortsetzung des Krieges aller gegen alle,
der im Verderben des Naturstandes anfängt, und im gesellschaftlichen
Zustand nur die Form ändert, aber um deswillen nicht mit weniger leidenschaft
geführt wird, im Gegenteil der Mensch führt ihn in diesem Zustand
mit der ganzen Schiefheit und Härte seiner verstümmelten und
unbefriedigten Natur.") Wenn wir in dem terminoligischen System von
Schneller denken, können wir dieses Phänomen als "das
Weiterleben des sinnlichen Ichs auf der Stufe der gesellschaftlichen Ichs"
bezeichnen. Auch die Stufe des sittlichen Zustandes ist bei Pestalozzi
pessimistisch aufgezeichnet: "Die Sittlichkeit ist beim Individuum
innigst mit seiner thiereischen Natur und seinen gesellschaftliche Verhältnissen
verbunden." Es wäre interessant zu wissen, warum Pestalozzi,
"der Erzieher des Herzens", wer in der alltäglichen Pädagogik
so optimistisch arbeitete, eine solche pessimistische Skizze über
der "Gang der Natur" entwarf. Die Ursachen könnten wir in
seinem persönlichen Leben finden ...
Am Anfang unserer Abhandlung haben wir schon erwähnt, welche wichtige Rolle die Schleiermacher'schen Gedanken in der geistigen Entwicklung von Schneller spielten. Diese tiefgreifende Initiativen determinierten den ganzen Aufbau des Schneller'schen Systems.
Die Rezeption der pädagogischen Auffassung von Schleiermacher bei Schneller können wir in den folgenden Punkte zusammenfassen:
1. Wie Schneller und Kant, auch Schleiermacher basiert seine Pädagogik auf etische Gründe. Er mit Schneller steht Kant gegenüber, weil beide der Emotionen wie z. B. die erzieherische Liebe eine wichtige rolle zuschrieben.
2. Es mag bei Schneller eine Rezeption von Schleiermacher sein, daß die Religion beide auf die Basis der hochwertigen Emotionen stellen.
3. Auch Schleiermacher schreibt über die sogenannten sozialen, gemeinschaftlichen "Kreisen", wie z. B. die Staat, die Kirche, die freie gesellschaftliche Kommunikation, und die nationale Gemeinschaft der Sprache. Diese sind die Endpunkte der pädagogischen Tätigkeit bei Schleiermacher. Die Analogie bei Schneller ist die Reiehe der sogenannten "sozialen Mächte".
4. Schleiermacher schreibt der spezifischen charakteristischen Zügen des Kindes eine sehr wichtige Rolle zu. Diese Empfindlichkeit für die individuelle Verschiedenheiten ist bei ihm ein Standpunkt der puren Logik. In der Ära von Schleiermacher gab es noch keine empirische-experimentelle Psychologie. (Er schreibt folgenderweise darüber: "Die Verschiedenheiten, Eigentümlichkeiten der Menschen, die ausserhalb des Bösen sind, sollen auch sein.") Diesen Ansichtspunkt der Individualität finden wir auch bei Schneller, ohne daß er den Standpunkt der inzwischen stark entwickelten experimentellen Pädagogik und Psychologie akzeptieren würde.
Als Fazit können wir bemerken die Kontextualität der Schneller'schen Gedanken. Einige Elemente der Konzeption von der dreistufigen Entwicklung der Moralität bei verschiedenen Philosophen und Theologen der Ära von Schneller zu bemerken waren. Er rezipierte diese geistige Einflüsse, war aber immer autonom bei dem Gestalten seines Systems. Die Beschreibung des Werdeprozesses des moralischen Charakters, der Persönlichkeit ist bei ihm viel differenzierter als bei seinem Vorläufer.
In Ungarn die Persönlichkeitspädagogik von István
Schneller eine war eine interessante, zeitgemäße und
"frische" Alternative der stark rezipierten herbartianen Pädagogik,
deren Verträter vor allem an der Universität von Budapest tätig
waren. (In dieser Abhandlung können wir nicht über die Schneller'schen
Kritik an die Pädagogik von Herbart reden.)
Schneller hatte an der Universität von Kolozsvár und dann
- seit 1921 - an der Univesrität von Szeged eine Reihe von Anhänger
und Nachforlger. Der bekannteste von ihnen war Sándor Imre,
ein prominenter Verträter der Nationalpädagogik Ungarns. Er entwickelte
die Konzeption seines Menthors weiter. Andere Nachforlger waren noch Sándor
Makkai, Béla Varga, Gábor Kemény
u. s. w.
Es wäre interessant zu wissen ob die eigenartige Persönlichkeitspädagogik
von Schneller eventuelle Nachfolger außer Ungarn hätte. Im Jahre
1908 nahm er an dem internationalen moralpädagogischen Kongress in
London Teil. Seine deutschsprachiger Vortrag konnte im Publikum eine Resonanz
finden ...
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Schneller István: Paedagogiai dolgozatok. 1-3. kötet
Budapest, 1899-1910.
Schneller István: Vom moralpädagogischen Kogress in London.
Handschrift, 1909.
Schneller István: Die moralische Erziehung als angewandte
Energetik. Eine Abhandlung und ein Vortrag für den moralpädagoischen
Kongress zu Haag, 1912. Nagyszeben, Dratleff.
Szelényi Ödön: Evangelische Pädagogen und Philosophen
in Ungarn. In: Gedenkbuch Anläßlich der 400-jährigen
Jahreswende der Confessio Augustana. Leipzig, 1930. 453-458. p.
Tettamanti Béla: A személysiég nevelésének
magyar elmélete. Schneller István rendszere. Szeged,
1932.
Dér Milós: Schneller István pályája
és pedagógiai munkássága. Szeged, 1937.
Pukánszky Béla: Schneller István gondolatai a középiskolai tanárok képzésérõl.
Pedagógiai Szemle, 1989. 39. évf. 5. sz. 438-450. p.
Pukánszky Béla: Schneller István pedagógiai
öröksége. Magyar Pedagógia, 1989. 2. sz. 158-175.
p.
Pukánszky Béla: Schneller István. O.P.K.M.
Budapest, 1990.
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